Wer an Braunschweig und Musik und Braunschweiger Komponisten denkt, dem fallen andere Namen ein, Rudolf Hartung löst in der Regel nur ein Kopfschütteln aus. Nur ein Teil der Lieder und Kammermusikwerke liegen gedruckt vor, eine Schallplatte mit Violin- und Viola-Sonaten und eine CD mit Streichquartetten sind bzw. waren im Handel erhältlich.
Dabei ist die Werkliste Rudolf Hartungs außerordentlich vielfältig: zwei Symphonien, Opern, Singspiele, Orchester- und Kammermusikwerke, Klavierstücke und Lieder. Zudem war er ein erfahrener Dirigent, begabter Musikpädagoge, versierter Korrepetitor – und begeisterter Kontrabassist. Zu Unrecht vergessen?
„Mein musikalisches Credo ist: Am Anfang war und wird die Musik sein. Sie in das zeitgemäße Gewand eines reichhaltigen Rhythmus und einer belebten Harmonie zu kleiden, ist insofern kein Problem, als mit ihr, dem Ursprünglichen, alles andere von selbst kommen wird, weder gewollt noch gesucht, sondern gemusst.“ So zitiert der Musikkritiker Gotthard Schmidtke Rudolf Hartung.
Hartung komponierte im Stil der Romantik, die atonalen Werke seiner Zeitgenossen wie Arnold Schönberg (1874 bis 1951), Alban Berg (1885 bis 1935), Anton von Webern (1883 bis 1945), Igor Strawinsky (1882 bis 1971) oder Béla Bartók (1881 bis 1945), die Anfang des 20. Jahrhunderts die Musikwelt in Aufregung versetzten, waren für ihn nicht maßgebend.
Dass Hartung nie der große Durchbruch gelang, liegt wohl auch an seiner zurückhaltenden Persönlichkeit. „Er ist einer der Stillen im Lande, der nicht viel Aufhebens von sich macht und dessen Kompositionen dennoch immer wieder zur Auseinandersetzung zwangen. Der Kreis seiner musikalischen Erfindungen ist weit, sein unbedingter Formwille von nacheifernswerter Energie und seine blühenden Kantilenen sind Ausdruck eines echten Musikerherzens.“
Versuchen wir, uns dem Musiker und Menschen Rudolf Hartung, seinem Werk und seiner Persönlichkeit zu nähern. Da nur sehr wenige persönliche Dokumente und Selbstzeugnisse erhalten sind, sind wir dabei auf Berichte von Zeitgenossen und Beschreibungen seiner Werke angewiesen – wie passend zu seinem eigenen Credo: „Das Ursprüngliche ist die Melodie, alles andere ergibt sich daraus.“